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Blick auf Afghanistan bei Kulob

Auf dem Weg zum Pamir

Nur wenige Kilometer hinter Samarkand befindet sich die Grenze zu Tadschikistan. Fast 50% des Landes liegt über 3.000 m Höhe, was die Temperaturen erträglicher machen wird. Handschriftlich werden Auto und Fahrer in großen Kladden erfasst und Zettelchen mit Stempeln in der Mitte mit der Schere oder dem Lineal durchtrennt. So wird die Einreise dokumentiert. Uns soll's egal sein, schnell ging es auf jeden Fall. 20 $ muss man noch Einfuhrgebühr bezahlen und dafür beten, dass man mit dem Unimog in Fahrzeugklasse 2 kommt. Sonst wird es bei der Maut erheblich teurer.

Kaum über der Grenze passieren wir die antike Stadt Sarazm. Sie ist bekannt duch ein 5.500 Jahre altes Grab einer Prinzessin. Zum Glück war geschlossen. Nach dem kulturellen Overflow der letzten Tage war der Akku leer. Man könnte jetzt sagen, 'dann laß dir Zeit'. Wir hatten uns aber bereits in Al Ain in den Emiraten mit Manu, Hendrik und Amaru für den Pamir verabredet. Durch unsere Reparatur im Oman sind wir 4 Wochen hintendran, und die drei haben inzwischen jedes Bergtal des Fan-Gebirges und jeden Lehmhaufen unterwegs begutachtet. Gute Ausrede, um auch in Panjakent einen Bogen um die Ausgrabungsstätte des 'Pompeji Tadjikistans' zu machen. Das Museum in Dushanbe soll dahingehend gut sortiert sein...

Stattdessen versorgen wir uns mit Bargeld, was hier durchaus eine Herausforderung sein kann. Sowieso fällt auf: Schlange stehen, Präsidentenkult (erst dachte ich, das sei die Reinkarnation von Breshnew), Malereien vom braven sowjetischen Arbeiter, alte Opel wo man hinschaut und ein Gemüsegarten, der Steckrüben, Kohl, Petersilie, Kartoffeln und Zwiebeln hergibt. Und Aprikosen in allen Farben und Größen, in Eimern an der Straße verkauft. Lecker.

Die Landschaft ist malerisch, die unzähligen Felder werden meist von Hand bestellt. Wir schrauben uns durch das Flusstal des Serafschan den Berg hinauf. Oben wartet der Todestunnel, 6 km lang, unbeleuchtet, ohne Entlüftung und mit ruinierter Straße. Trotzdem wird drinnen gerne überholt, Tadschiken scheinen das Risiko zu lieben. Danach fällt die Straße zügig ab, die ersten Mautstellen werden passiert und schon sind wir im 40 ° C heißen Dushanbe. Hier wollen wir ggf. die Karre reparieren lassen. Angeblich gibt's hier kompetente Hilfe. Der Ölverlust ist momentan zwar nicht mehr so gravierend, aber klar ist, daß das eine tickende Zeitbombe ist.

Nationalheld der Tadschiken ist Ismail I, genannt Somoni, der im 11. Jh. der größte der Samanidenherrscher war. Ihm zu Ehren sind in fast jeder Stadt Denkmäler aufgestellt. Das größte steht natürlich in der Hauptstadt. Und viele Prunkbauten, wo man sich schon fragt, was ein armes Land wie Tadschikistan damit anfangen soll. Aber es scheint wie vor hunderten von Jahren: der autokratische Herrscher muss seine Größe und Macht demonstrieren.

Auf der Suche nach der Werkstatt geraten wir auch an zwei Einheimische, die wirklich alles dafür tun, dass wir startklar in ihrem Land sind. Fahren uns zum SIM-Card-Laden, zum Geldautomaten, machen eine kleine Stadtrundfahrt, laden uns zum Essen ein und gehen mit in die Werkstatt zum Übersetzen. Das war total nett und unerwartet, und gibt uns ein gutes Gefühl für die nächsten Wochen.

Die Werkstatt gibt sich zuversichtlich. Teile können sie keine besorgen, also müssen wir ran. Und wir treffen nach fast einem halben Jahr die drei aus der "Wanne" wieder, Manu, Hendrik und Amaru. Wir registrieren uns als Touristen (OVIR) und beantragen die Genehmigung für den Pamir (GBAO). Um's Eck gibt es auch Autoversicherungen für kleines Geld. Und das Nationalmuseum, wo wir uns kulturhistorisch auf den aktuellen Stand bringen und ein Teehaus. Die haben Bier für 60ct für den halben Liter. Die verdammten Teetrinker konnte man damit nicht beeindrucken...

Im Green House Hostel trifft sich die Schar der Pamir-Fahrer und Overlander, viele Radfahrer und Biker, aber fast keine Autos außer uns. Irgendwie hat man den Eindruck, dass alle froh sind, wieder heil hier angekommen zu sein. Die Straße zum Pamir ist auf ca. 90 km eine Baustelle, die es in sich haben soll. Wartezeiten, Löcher, Staubpiste, wir sind gespannt.

Auf dem großen Basar in Dushanbe gibt es alles, was man für die Reise braucht. In der Markthalle wird alles für's Auge schön drapiert. Dann nochmal tanken und es kann losgehen. Unterwegs bei Danghara gibt es ein Denkmal für 5 von einem Terroristen 2018 getötete Radfahrer aus Frankreich. Das schärft noch einmal die Sinne, dass trotz aller Freundlichkeit der Menschen 'uffbasse' erstes Prinzp bleiben muss.

Auch eigenartige Heldentafeln stehen in regelmäßigen Abständen am Weg, zusätzlich zu den riesigen Plakaten des Autokraten, der im mittelblauen Anzug durch das Land schreitet, huldigt und Hände schüttelt. Und allgegenwärtig die Opel, mit riesigen Türmen auf den Dächern, ohne Dach-Gepäckträger, man stelle sich das vor. Einfach Schnüre drum und los geht's. Was da der deutsche Schutzmann sagen würde. Was die Dinger aushalten ist bemerkenswert. Nachdem der letzte Eselkarren passiert ist, erreichen wir zu Hendriks Verzückung Hulbek Castle. Um die Ausgrabungen im Inneren hat man in den letzten Jahren die schicken Grundmauern wieder hochgezogen.Durchaus verständlich, da die Lehmziegel den Jahrhunderten nur schwer trotzen konnten.

Hinter Kulob biegt man ins Tal des Panj Flusses ab. Auf der anderen Seite ist Afghanistan zu sehen. Ein komisches Gefühl, wenn man an die Bilder vom vergangenen August denkt, als die Evakuierungen des Westens nach der Machtergreifung der Taliban omnipräsent waren. Jetzt fährt man am Fluss entlang, schaut die paar Meter rüber, sieht Menschen bei der Feldarbeit und interpretiert in jeden Mann einen Taliban. Auf beiden Seiten des Flusses ist die Landschaft gleich. Auf ebenen Stellen liegen Dörfer, stehen Pappeln und werden Felder bestellt. Und den Winkreflex kann man prima ausprobieren. Auch die Taliban sind Menschen und winken zurück...

Die Brücken auf nach Afghanistan sind gesperrt. Militär patroulliert entlang der Grenze und einige Militärposten sind zu passieren. Gut, wenn man die Ausweise und Permits auf ein Blatt kopiert hat. Dann kann der Schreibstubensoldat in aller Ruhe seine Kladden mit den Daten händisch befüllen, wenn man den Posten verlassen hat. Und wir können die Karre waschen :-)




Bei Kalaikhum biegt man dann auf die M41 ab, den eigentlichen Pamir-Highway. Einige Kilometer weiter liegt oben in den Bergen Karon, eine 4.000 Jahre alte zoroastrische Stadt, auch der Machu Pichu von Tadschikistan genannt, die erst 2012 entdeckt wurde. Es lohnt sich auf jeden Fall, die schweißtreibende Wanderung auf sich zu nehmen.

Dann beginnt die Baustelle, und sie ist schlimmer als gedacht. Man muss sich durchgehend konzentrieren, Maximalgeschwindikeit ist 30 km/h. Passt man nicht auf, landet man krachend in einem Loch, knallt auf alte Teerreste oder Steine. Streckenweise frisst man kilometerlang Staub von vorausfahrenden Shacman- oder Kamaz-LKW. Durch jede Ritze dringt der Staub ins Innere, vorne und hinten. Wir fahren mit Mundschutz, aber viel bringt das auch nicht. Teilweise ist die Straße einspurig, was aber niemanden daran hindert, so lange zu fahren, bis man sich gegenüber steht und der schwächere rückwärts fährt. Oder man presst sich irgendwie aneinander vorbei. Das Drama endet in der Nähe von Rushon. Und ein neues beginnt, weil wir uns zum Übernachten in den Vorgarten einer Familie stellen. Die sind sehr fruchtbar, haben 10 Kinder und der kleine Weimi weicht mir nicht mehr von der Seite. Nachdem er zigmal wieder dasteht, obwohl er ins Bett soll, bringe ich ihn irgendwann nachts ins Bett. Fast hätte ich ihn adoptiert.Wäre wahrscheinlich gar nicht aufgefallen.

Von Rushon nach Khurogh gibt es sicher 2 km anständige Straße, der Rest bleibt eine Katastrophe. Das macht keinen Spaß und wir sind froh, wieder in der Zivilisation angekommen zu sein.

Lange bleiben wir aber nicht. Kohl, Kartoffeln, Steckrüben und Brot werden gebunkert. Und Wasser und Bier. Neuerdings auch flaschenweise Bremsflüssigkeit, nachdem wir bei der Besichtigung des botanischen Gartens entdeckt haben, dass der bereits zweimal getauschte Bremssattel hinten wieder leckt und der gesamte Inhalt des Behälters den Reifen runter läuft. Ideale Vorussetzungen für einen Trip auf's Dach der Welt. Sehe uns schon an einem Kamaz angebunden den Rückweg antreten.

Was wir später erfahren: zwischen Mercedes und ATE herrscht seit längerem Streit wegen der Bremssattel-Problematik. Der wurde modifiziert, aber scheiße. Sicher weniger schlimm, wenn man seinen Unimog zum Holz machen im nahe gelegenen Wald verwendet. In unserem Fall nervt das und wir hoffen, sie streiten weiter bis zum Sankt-Nimmerleinstag. Deutschland kann einen fertig machen, obwohl man da gar nicht ist...

Und: ich darf jeden Morgen noch durch eine zweite Öffnung Flüssigkeit ins Innere des Unimogs füllen. So habe ich wenigstens etwas zu tun.