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Figuren am Nemrut Dagi

Durch's wilde Kurdistan

Wir wollten so schnell wie möglich in die Berge in der Hoffnung, kühlere Temperaturen vorzufinden. Ziel war der Nemrut Dağı, der mystische Berg im Taurus-Gebirge, nördlich des Atatürk-Stausees. Wir kamen am Fuß des Berges in Damlacik abends an, nur Hitze und kein kühles Lüftchen. Eine Nacht buchten wir uns in ein klimatisiertes Zimmer ein, verbrachten den Tag am Pool mit eiskaltem Gebirgswasser, trafen dort Susie aus dem Engadin mit Fahrrad unterwegs und gammelten mit ihr zwei Tage ab.

Dann fuhren wir auf den Berg, hatte Angst um unseren LKW-Opa, 1.500m auf 20 km, das ist viel bei der Hitze. Am Eingang machte ich versehentlich den Motor aus und er kochte zuverlässig über. Das Heiligtum ließ Antiochus von Kommagene als Zentrum einer neuen Religion aus griechischer und persischer Mythologie erbauen.

Wir erreichten vor Sonnenuntergang den Gipfel. Ca. 300 Menschen erwarteten uns bereits. Fast niemand interessierte sich für die Stein-Köpfe, die vor 2.000 Jahren da oben hingestellt wurden. Nur für den Sonnenuntergang. So ganz verstehe ich es nicht. Bin wohl Anti-Romantiker...

Aber es gab noch den Sonnenaufgang. Wir campten auf dem Berg und wurden um 04:30 Uhr von Kleinbussen geweckt, die erlebnishungrige Menschen auf den Gipfel beförderten. Hatte gelesen, dass bei Sonnenaufgang eine mystische Stimmung entstünde, wenn die ersten Sonnenstrahlen auf die Figuren der Ostseite fielen. Nur standen da eine Leinwand und ein paar mannshohe Boxen im Weg. Auf der Leinwand irgendein Scheiß von Zahnfee-Eso-Gelumpe, aus den Boxen Geplärr, das Arrangement steht vor den Köpfen und wirft Schatten, von Mystik keine Spur. Und alle starren in den Sonnenaufgang. Die geht doch überall auf, dann glotzt doch dort! Ich versteh's nicht.

Man muss sich das vorstellen: von Antalya sind das 1.000 km, oder knappe 570 km aus Göreme in Kappadokien. Die karren die Leute diese Strecken ran. Um in die Sonne zu glotzen. Und Knickebeinchen machen für Insta. Und Selfies. Jede/r Zweite hat nen Selfiestick. Aber selbstkritisch: wir sind Teil der Herde! Das wird unter Garantie nicht das letzte Mal gewesen sein, wo wir auf unserer Reise den Auswüchsen des Massentourismus an entlegenen Orten begegnen werden...

Entlang des Euphrat fuhren wir ostwärts, durch Kurdistan, zum anderen Nemrut Dağı, dem Kratersee. Ich hatte den Eindruck, ein 1.000 x 500 km großes, vollständig entwaldetes Weizenfeld zu durchqueren. Es gab fast keinen einzigen Baum, dafür Temperaturen von über 40°C. Wie um alles in der Welt halten die Menschen das dauerhaft aus? Wir passierten Diyabakir, konnten aufgrund der Hitze aber nicht anhalten. Es war unerträglich. Dann ging es bergauf, wenigstens auf 1.800 m, und in den Krater auf über 2.000 m. Luft!

Dort gab es einige Bergsteiger, die sich auf den Ararat-Aufstieg vorbereiteten und chillige Stimmung an den drei Kraterseen. Am schönsten war unsere Bärenbegegnung nachts am See. Eine Braunbärfamilie kam zum Essen vorbei. Fevzi, ein einheimischer Bärenfreund zeigte uns die Kolosse aus nächster Nähe. Schmatzende Bären zwei Meter neben uns...

Die Straßen sind gesäumt von unzähligen Militärposten und Straßensperren, was Rückschlüsse auf die herrschenden Konflikte zuläßt. Trotzdem erschienen die Menschen freundlich und hilfsbereit. Am Ostufer des Van-Sees besichtigten wir einen alten Friedhof der Selchuken und überquerten hohe Pässe in Richtung Doğubayazit und den Berg Ararat.

Entlang des Grenzflusses Akhuryan (Türkei-Armenien) kamen wir irgendwann in Ani an, der früheren armenischen Hauptstadt ganz im Osten der Türkei. Die Ruinen sind UNESCO-Weltkulturerbe, aber nirgends steht etwas vom armenischen Ursprung.

Die alte Stadt ist toll. Schöne Kirchen mit interessanten Fresken, Moscheen, Stadtmauern, aber leider alles ziemlich dem Verfall preisgegeben. Es scheint an Geld zu fehlen, und Erdbeben und Erosion tun ihr Übriges.

Jetzt verlassen wir die Türkei. Fast 8 Wochen waren wir nun hier und hatten eine tolle Zeit. Jetzt ist Zeit für etwas Neues und wir freuen uns ohne Ende auf Georgien...