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Pagode in Lijiang am Fluss mit Blumen

Endspurt nach Laos

1.750 km liegen noch vor uns - so sieht doch mal ein richtiger Endspurt aus. So langsam geht die Reise an die Substanz. Um einen Ruhetag zu gewinnen und aufgrund des schlechten Wetters überspringen wir ein Etappenziel und fahren gleich nach Lijiang, Provinz Yunnan und Heimat der Naxi-Kultur. Wie bei jedem Tankstopp sind unterwegs auch ein paar Fototermine fällig.

Lijiang ist Touristenmagnet aufgrund seiner historischer Altstadt. Am Eingang stehen Drehkreuze mit Gesichtsscanner, drinnen das übliche Potpourri aus Souvenirläden, Kostümverleihen mit Schminkstuben (für die Madame Butterfly), Läden für lokale Köstlichkeiten (hier Tee, Trockenfleisch und getrocknete Insekten), Restaurants, Supermärkten sowie Nachtclubs und Bars. Dazwischen die Sehenswürdigkeiten wie Pagoden, Tempel auf dem Berg, Pool des Schwarzen Drachen, Wasserräder, und Paläste. Viele Kanäle führen durch die Stadt, gesäumt von Blumenbeeten auf beiden Seiten. Hübsch anzuschauen, denken sich auch die angeblich 8 Mio. Chinesen, die jährlich hier zu Besuch kommen.

Überraschenderweise kamen wir als Letzte an und der Essenszug war schon abgefahren. So ergibt es sich, dass wir in einem Hotpot-Laden landen, der sich auf Pilze spezialisiert hat. Ein Teller mit Yak-Fleisch beklebt und ein Kilo Pilze. Eva war das nicht so geheuer, insbesondere als der Kellner eine Suppenprobe genommen und beiseite gestellt hat. Wahrscheinlich zur Absicherung, falls ein Gast mit Pilzvergiftung vom Stuhl fällt. Ich persönlich fand ein Kilo Pilze für mich etwas üppig, habe aber überlebt. Und Eva musste hungrig ins Bett.

Am Folgetag gab's dann die touristische Breitseite, lediglich unterbrochen vom entspannenden Verwöhnen der Kätzle, die hier in vielen Cafés zu Hause sind.

Edward wäre nicht Edward, hätte er nicht die brilliante Idee eines gemeinsamen Dinners gehabt. Glücklicherweise können wir an der Seite des Tisches sitzen, wo es keinen Hotpot gibt. Dafür sitzt dort Edward und füllt permanent Baijiu (Reisschnaps) in Gläser ab, assistiert bzw. entmachtet von Adam, dem das Ganze zu langsam geht.

Ende vom Lied: Teile der Gruppe landen in einem Club und haben einen unvergesslichen Abend. Allerdings wird die Regel gebrochen, dass fotografieren und filmen tabu ist...

Wir wollten eigentlich am nächsten Tag in die Tiger Leaping Gorge zum Wandern fahren. Also stellen wir den Wecker und quälen uns, trotz Suff und Kater, raus. Vor Ort gelingt es uns gegen 13 Uhr, tatsächlich mit Rucksack und Gepäck für zwei Tage loszulaufen. Wir waren allein auf weiter Flur.

Gesamtstrecke sind 25 km, es wird empfohlen, knappe 20 km am ersten Tag zu laufen. Schaffen wir nicht, aber es gibt viele Guest Houses unterwegs und das Tea Horse Guest House ist ein ganz schönes. Da verbringen wir die erste Nacht, wandern weiter bis zu dem Punkt, wo angeblich der Tiger vor dem Jäger durch einen Sprung über den Fluss geflüchtet ist (die Story hat auch einen Bart und gibt es auf der ganzen Welt, ok, statt Tiger ein anderes Tier nach Wahl).

Der Weg runter in die Schlucht zum Wasser ist nochmal richtig hart, ein paar hundert Höhenmeter auf wenig Strecke. Steile Leitern helfen beim Abstieg. Ermattet von den Anstrengungen finden wir trotz 'Golden Week' (Ferienwoche in ganz China) ein Bettchen im Tibet Guest House und nehmen am nächsten Tag ein Taxi raus aus der Schlucht, zurück zum Unimog. Das war jetzt mal richtig toll!

Dann geht's zurück zur Gruppe, wir überspringen Shaxi und fahren nach Dali. Ein weiteres unsägliches Touristen-Eldorado. Ich kann's inzwischen nicht mehr sehen. Souvenirläden, Madam Butterfly, gääääähn... Mag sein, dass es dort auch ein paar schöne Tempel gibt, aber diese Art des selektiven Blicks unter Ausblendung des Gesamtrahmens ist mir nicht zu eigen. Wahrscheinlich haben wir in den letzten vier Wochen einfach auch viel zu viel gesehen.

Statt dem Highway nehmen wir die Landstraße weiter in den Süden. Jetzt kommt richtiges Reisefeeling auf. Man kann vor sich hintrödeln, den Bauern beim Abernten der Mais- und Reisfelder zuschauen, wir passieren Zuckerrohrplantagen und Bananenstauden. Wusste gar nicht, dass es das alles in China gibt, aber kein Wunder, die Landschaft erinnert mehr und mehr an Südostasien. Unterwegs passieren wir ein Tal der Wildelefanten und finden uns in Jinghong wieder, unserem letzten Halt, bevor wir China verlassen.

Und so endet unsere Hatz durch China, 4 Wochen, mehr als 7.500 km, 9 Fahrzeuge, 16 Menschen, eine Schnapsidee. Wir können uns mit unserer Gruppe glücklich schätzen. Eine bunte Mischung, altersmäßig von Ende 20 bis Mitte 60, wobei die Jugend überwiegt. Wir hatten jede Menge Spaß, und unsere Guides Edward und Alex waren richtig liebe, zugängliche Menschen, die alles dafür taten, damit es allen gut geht. So konnte sich sogar ein Gruppenhasser wie ich wohl fühlen. Aber jetzt bin ich auch froh, dass es zu Ende ist. Ich freue mich wieder auf unser eigenes Reisetempo.

Nochmal 180 km trommeln wir den Unimog bis zur Grenze, warten lange, bis die Bürokratie für alle Fahrzeuge erledigt wird und verlassen dieses riesige, diverse, vielschichtige, schöne, interessante und widersprüchliche Land der totalen Kontrolle, in dem wir mit den Menschen nur gute Erfahrungen gemacht haben.

Vorbei mit den ständigen Fotos der Überwachungskameras auf den Straßen, wo ich mich hinter der Sonnenblende versteckt habe, so oft es ging oder Grimassen geschnitten habe, den Gesichtsscans, den Kontrollen, der permanenten Registrierung. Was macht man nur mit all den Daten. Das ist schon fast paranoid. Viel haben wir gelernt, z.B. wie man Massen steuert, zufriedenstellt, ablenkt, ein großes Gefälle zwischen Stadt und Land gesehen, aber auf der anderen Seite die flächendeckend annähernd perfekte Infrastruktur. Vielleicht kommen wir zurück, vielleicht auch nicht. On va voir...