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Kuh im Gras

Georgien Reloaded

4. und letzter Abnschnitt: bewältige zwei Pässe des Kaukasus

Midyat wurde uns von einigen Reisenden als sehenswert empfohlen. Ein hübsches Städtchen mit historischer Altstadt. Ich besorge eine SIM-Karte, gehe zum ersten Mal in den 4 Wochen in ein richtiges Restaurant und genieße den Abend bei türkischem Kaffee und Tee. Und ja, Midyat ist hübsch. Es wird viel renoviert, in der Altstadt gibt es viele Cafés und Restaurants mit Dachterrassen.

Wurzeln schlagen will ich hier aber nicht und fahre Richtung dem Nemrut-Krater. Vielleicht ist ja Fevzi da, ein Kurde, der die Sommer da in einem Steinhaufen verbringt. Es ist sehr kühl, regnet, und tatsächlich ist er da. Abends kommt wieder ein Bär vorbei. Der andere wurde von Jägern erlegt. Am nächsten Morgen überlasse ich Fevzi einige Gegenstände, damit seine Renovierung vorangeht und die Moral nicht in den Keller rutscht.

Jetzt fällt mir auch wieder ein, was ich in der Türkei so gehasst habe. Es waren die gestörten LKW-Fahrer. Berghoch 30 km/h, runter Vollgas. Auf der Ebene auch. Auf längeren Strecken muss ich Zwangspausen einlegen, damit ich mich nicht uffrege. Und ich verlagere meine Route auf Nebenstraßen. Dann geht's. Richtung Erzurum komme ich durch tolle Flusstäler, abwechslungsreiche Landschaft, kein Verkehr, muss ein paar Dreckpisten nehmen und bin schließlich ziemlich zügig an der georgischen Grenze nahe Sarpi.

Die Aus- und Einreise klappt problemlos. Ich möchte nach Batumi, einkaufen und SIM-Karte besorgen und dann zwei Pässe fahren, auf die Eva nicht so große Lust hat: den Zekari und den Abano. Auf dem Parkplatz in Batumi treffe ich eine holländische Familie und ein britisches Paar. Der Brite berichtet von seiner Fahrt über den Goderzki- Pass. Eigentlich wollte ich die Strecke nehmen, und von Abastumani über den Zekari-Pass fahren. Aber seine Schilderungen rufen Erinnerungen an unseren Ritt durch den Schnee und völlig vernichtete Straßen zurück. Also plane ich um, will oben rum fahren (auf der Nordseite des Kleinen Kaukasus) nach Baghdati und von dort dann über den Pass nach Abastumani.

Zwei Freunde von uns aus Herne, Andrea und Timm, haben uns mal gesagt: 'Nie zweimal in ein Land!'. Daran musste ich in den letzten Wochen öfters denken. Es kann schon etwas dran sein. Zur Zeit lese ich das Buch 'Das mangelnde Licht' von Nino Haratischwili, Georgierin wohnhaft in Berlin. Es geht um Georgien zur Zeit des Zusammenbruchs der Sovietunion und die Jahre des Übergangs. Plötzlich fallen einem so viele Dinge auf, die man bisher nie beachtet hat. Aber das mag ich ja, Gesellschaftsstudien :-)

Unterwegs werde ich mal wieder vom Gegenteil überzeugt. Männer sitzen gegen Mittag an einer Bushaltestelle, tun das, was man oft beobachtet: dem Müßiggang fröhnen. Es ist Sonntag. Bier und Chacha, selbstgebrannter Schnaps, und deftiges Essen. Sie halten mich an, zwei Chacha später darf ich weiter. Der Zekari-Pass ist leicht zu fahen. Zwar steht hinter dem Kurort Sairme ein Schild, dass die Straße gesperrt ist, aber der Pfarrer von der Kirche dort ruft mir 'No problem' zu. Aha. Die befestigte Straße endet hier. Aber in der Tat kein Problem, treffe unterwegs zwei Motorradfahrer aus Bayern, die mir entgegenkommen. Kleiner Plausch und weiter geht's. Die Nacht verbringe ich etwas unterhalb des Passes, weil Starkregen angesagt ist.

Ich nehme Kurs auf Telavi, in der Nähe ist der Einstieg zum Abano-Pass. In den letzten 4 Wochen bin ich zum Frühaufsteher mutiert. Ich glaube, es lag an der Hitze. Hier sind die Temperaturen angenehm. Man kommt locker knappe 400 km voran, wenn man etwas früher losfährt. Gegen Abend erreiche ich eine Stelle, wo wir schon mal übernachtet haben. Ca. 30 km vor der Passhöhe. Der Abano rangiert unter den 10 gefährlichsten Straßen der Welt immerhin auf Platz 8. Bin ein bisschen aufgeregt. Wir sind letztes Jahr schon einmal ein Stück gefahren, aber dann umgekehrt. Teilweise war es schon sehr eng.

Ich wache um 4:39 Uhr auf und fahre gegen 6:30 Uhr los. Das Wetter sieht ok aus, könnte später zum Regnen kommen. Ich passiere viele Engstellen, steige aus, prüfe, sieht gut aus. Einmal gibt es ein Kratzgeräusch bei Felsüberhängen. Bei Überprüfung stelle ich erst spät fest, dass es die Zarges-Box auf dem Dach übel erwischt hat. Völlig verbeult und wie ein Karton gefaltet. Was bleibt mir anderes übrig als beide Kisten zu bergen, höllenschwer sind die. Meiner Stimmung tut das nicht gut. Zum Glück ist außer mir bisher niemand unterwegs. Ausweichen ist nicht so prickelnd auf der engen Piste.

Nach Erreichen der Baumgrenze wird es besser. Die Kehren sind nicht so schlimm wie beschrieben, zumindest bergauf. Eine Kuhherde und Pferde werden von Hirten den Berg hochgetrieben. Im Schrittempo komme ich durch. Man muss einige Wasserfälle kreuzen und gegen 10 Uhr bin ich auf der Passhöhe, knappe 2.900 Meter hoch. Weiter geht es Richtung Tuchetien, viele Kehren den Berg runter. Das Wetter wird schlechter und ich entscheide, wieder runter zu fahren.

Auf dem Rückweg kommen mir einige Motorradfahrer, ein Bagger und ein Auto entgegen. Wir kommen aneinander vorbei. Irgendwo an einem Felsüberhang kratze ich nochmal mit dem Dachträger entlang. Muss dann doch wohl mal ne Dose Lack kaufen. Als ich unten bin, fängt es zu regnen an. Ich kaufe unterwegs ein Belohnungsbier, stelle mich auf eine Wiese, hämmere die kaputte Zarges-Box notdürftig in Form und freue mich über das gelungene Abenteuer.

Unterwegs auf der Fahrt nach Tiflis habe ich die Karre geputzt. Eva kommt ja am Sonntag. Zwei Tage stand ich am Tifliser Meer, jetzt bei Mzcheta auf dem Berg. Wegen des Regens. Keine Lust mehr auf weitere Schlammschlachten...

Und heute hat dann auch das Alleinreisen sein Ende. Ich wusste ja nicht, wie das ankommt, vor allen Dingen an den Grenzen. Aber ich muss sagen, egal wo ich war, ich hatte nie nur den Anflug von Problemen. Das ist schön und ich weiß es zu schätzen. Der nächste Bericht wird wieder von Eva illustriert werden. Wenn alles gut läuft aus Russland, Kasachstan und Usbekistan. Daumen drücken ist erwünscht... :-)