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Blick auf den Kazbegi

Georgische Heerstraße

Schönes Öfchen gebaut, akkurat Spaltholz erzeugt, Übersprungshandlung, Filterwechsel steht an und wir mutterseelenallein in einem menschenleeren Tal. Habe Schiss, dass die Entlüftung der Leitungen nicht klappt und wir hier stehen, die deutsche Botschaft uns evakuieren muss, usw. . Vor lauter die vegetarischen Grundsätze verletzt, ein Kilo Hackes gekauft und Burger gegrillt. Klappt alles (Filterwechsel), zum Glück war ich noch in der SEPAR Generalvertretung in Thessaloniki, Filter und Dichtungen kaufen.

Zwei Tage später fuhren wir nach Kasbegi oder Stepantsminda über den Kreuzpass, vorbei an sowjetischen Mosaiken und Kamaz-LKW und dann waren wir da. I-Overlander hat uns einen tollen Platz gegenüber der Kirche vorgeschlagen, der Unimog zieht unwiderstehlich den Hang hoch und vor lauter Glück baue ich wieder einen Steinofen und heize ein, was das Zeug hält.

Vor unseren Augen der Kasbek, mit 5.047 m Georgiens dritthöchster Berg. Was ein Panorama. Hinter uns am Berg gibt es massive Bergabbrüche. Es lärmt und rumort, die Gesteinsmassen rumpeln ein Stück weiter entfernt im Staubnebel den Berg hinunter.

Wir wollen zur Gegetier Dreifaltigkeitskirche auf der anderen Seite. Habe die Dinger langsam satt, aber kaum ist der Entschluss gefasst, keine mehr anzuschauen, steht schon wieder so ein Ding da, das man unbedingt gesehen haben soll. Da kommt dann Evas Unerbittlichkeit zum Vorschein, von der ich nicht weiter berichten werde...

Die Straße hoch hat wohl ein Problem, georgische Jeeps und 4x4-Kleinbusse können aber überraschend Abhilfe schaffen. Denkste. Wir laufen! Durch den Wald hoch, um die Kirche lebt Insta und wir beschließen, weiter hoch zum Gletscher zu laufen. Am Ende reichts zum Pass, den Gletscher und die Betlemi-Höhlen und -hütte vor Augen. Aber es ist spät am Nachmittag, bitter kalt, wir in leichtem Freizeitdress und machen kehrt auf 3.000m Höhe.

Abends belohnen wir uns im Restaurant Maisi in Gergeti. Wer vor Ort ist und Kasbegi Avantgarde haben will, sollte da mal essen. Georgische Küche, höchstens 5 Tische, alles etwas anders, richtig gutes Essen, top Weine, alles handgemacht im gleichen Raum. Nur: nicht 2 Kachapuris bestellen! Obwohl: volles Doggybag ist zum Frühstück nicht verkehrt...

Am nächsten Morgen stelle ich fest, dass sich der halbe Bremsflüssigkeitsbehälter Fahrerseite hinten über den Bremssattel in die Natur entleert hat. Möönsch. Gerade war ja eine Baustelle zu, Dieselfilter, Kompressor noch offen, aber jetzt on top noch der Bremssattel. Den hatte ich ja erst in Athen getauscht, weil der alte angeblich kaputt war. Immerhin knapp 12.000 km gehalten, das Ding, ATE Classic. Oder 3 Monate. 1.200 Schleifen netto. Bekomme Gänsehaut. Was heißt das? Kreuzpass runter geht oder nicht? Fülle auf, wir fahren den Pass wieder runter. Nur bei Betätigung der Handbremse sifft das Ding willkürlich unbestimmte Mengen Bremsflüssigkeit. Zum Glück habe ich welche dabei.

Wir fahren nach Tiflis, checken den Versandstatus vom Kompressor. On the way. Na dann. Gehen bei Mercedes vorbei, also PKW, da steht unser Eisen zwischen Maybachs und selbst der Georgier guckt, aber nur eine Sekunde, leicht pikiert. Er findet den Unimog ja auch scharf...

Bekommen die Adresse für schweres Gerät. Am nächsten Tag gehen wir hin, Georgi, der Chef, Studium TU Braunschweig, kann deutsch, net verkehrt. Der wurde nach Hause geschickt, wo er doch bleiben wollte. Fähiger Mann, Fachkräftemangel?! Klar. Egal. Er hilft. Wie immer, ein alter Mechaniker kann alles, alle lesen von seinen Lippen, er, sich seiner Situation bewusst, pöbelt rum, baut den Kompressor auseinander, verarbeitet den Reparatursatz und die Kolbenringe (der kleinste ist gebrochen, war ihm wurscht, braucht er nicht), sie putzen die Druckleitungen, würgen Sinterbrocken raus von dreißig Jahren Betrieb. Dann geht alles wieder. Bin begeistert. Es gibt Mercedes-Werkstätten, die reparieren! Nicht nur austauschen.

Wir biegen auf der georgischen Heerstraße rechts ab, vor dem Stausee. Da geht's nach Shatili. Sackgasse. Es geht über den Kreuzpass, heißt eigentlich jeder Pass hier so? Egal. Hirten treiben ihre Tiere (Kühe, Schafe, Ziegen) schon ins Tal, freuen sich, wenn man anhält und sie passieren lässt. Die Esel machen, was sie wollen.

Teilweise ist die Straße unterirdisch, aber wir kommen an. 8 Hundewelpen begrüßen uns und es grenzt an ein Wunder, dass keine Töle auf dem Rückweg im Unimog sitzt. Wir schauen die Festung an und fahren weiter ins Tal. Da stehen Hütten, die von Pestkranken im Angesicht des Todes aufgesucht wurden, um die Bevölkerung im Ort zu schützen. Die Knochen liegen noch heute da.

Ganz am Ende des Tals kann man schön stehen, unverbrauchten Sternenhimmel gucken, die Einsamkeit genießen und die Tatsache, mitten im Kaukasus 10 km vor Russland zu stehen. Diese Säcke...

Über den Pass und wieder runter vom Berg stehen wir vor der Auffahrt nach Roschka. Unbefestigt und wild zerklüftet, aus Westlersicht. Aber der Georgier prügelt hier alles was 4 Räder hat hoch. Oben angekommen parken wir, packen die leichte Wandermontur und laufen hoch zu den Abudelauri-Seen. Es soll drei geben, grün, blau und weiß. Dann mal los.

Es geht stetig bergauf, aber angenehm. Kurz vor den Seen sehen wir zwei Frauen, die plötzlich zu rennen anfangen. Dann wird klar, sie wollen zuerst da sein. Die ältere (italienische Mutter) platziert sich mitten am See und verharrt. Aha. Vier Menschen und so ein Verdrängungswettbewerb? So what, laufen weiter zum blauen See, plötzlich geschäftiges Treiben hinter uns. Sie hat realisiert, dass sie sich verzockt hat, rennt los. Zu spät, wir sitzen schon. Sowas am Arsch der Welt inmitten des Kaukasus. Das Buch 'Betrachtungen der menschlichen Psyche' schreibe ich noch. Bestimmt.

Losgelöst von diesem Spaghetti Incident sind die Seen toll, die Wanderung lohnend. Wir fahren wieder zu unserem Ofen, heizen ein, besuchen einen Tag später den Geburtsort von Vazha-Pshavela, einem bekannten georgischen Dichter und Schriftsteller und kehrten schließlich nach Tiflis zurück. Der Kompressor war da. Steuern mussten bezahlt werden. Eine Steuernummer war notwendig. Ein Konto bei der Bank. EIne Adresse in Georgien. Eine georgische Telefonnummer. Verrückte Welt. Nichts ist einfach...