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Boote auf dem ausgetrockneten Aralsee

Karakalpakstan

Im Schneckentempo geht es auf der fast völlig zerstörten Straße durch Karakalpakstan, der autonomen Region im Westen Usbekistans. Kolonnen von LKW fahren in die eine oder andere Richtung. Die Fahrer wirken stoisch, viele Schäden an den Fahrzeugen werden an Ort und Stelle repariert. Nachts stellen wir uns in einiger Entfernung von der Straße auf ausgetrockneten Steppenboden und genießen den Sonnenuntergang.

Kungirot ist der erste nennenswerte Ort nach der Grenze. Nach unzähligen Anläufen können wir einem Geldautomaten Bares abtrotzen, allerdings nur in kleinen Dosen. Wir kaufen eine SIM-Karte, versorgen uns notdürftig mit Essen und nehmen Kurs auf Moynak, der einstigen Hafenstadt des Aralsees und Sitz der größten Fischfabrik am See. Der Ort ist herausgeputzt, angeblich, um den Bewohnern den Verlust ihrer Existenzgrundlage erträglicher zu machen. Auf dem Weg dorthin fahren wir durch das grüne Flusstal des Amu Darya, der früher mit seinen Wassermassen den Aralsee mit Frischwasser versorgt hat. Heute versickert er bei Moynak in der Wüste. Vor allen Dingen die Baumwollfelder in Tadschikistan und Usbekistan entziehen dem Fluss soviel Wasser, dass nur noch ein Rinnsal in der Nähe des einst größten und fischreichsten Sees der Erde ankommt.

In Moynak stellen wir uns zwischen die verrosteten Überbleibsel der stolzen Fischfang-Flotte des Aralsees. Das kleine örtliche Museum zeigt die bedrückende Zersörung dieses riesigen Ökosystems in Bild und Film.

Spontan entscheiden wir uns, die etwas über 100 km zum Ufer des westlichen, noch existierenden Aralsees zu fahren. Ich habe die Illusion, dort vielleicht zu baden und den Staub der vergangenen Tage abwaschen zu können. Die miese Piste bewältigen wir flankiert von Kamaz-LKW in sengender Hitze. Der frühere Seegrund ist versalzt und versandet. Hier wird heute in großem Umfang Gas gefördert. Irgendwann fahren wir die Klippe des Westufers hoch. Ein bedrückendes Gefühl wenn man bedenkt, dass vor 60 Jahren hier noch Wasser schwappte.

Die Strecke zieht sich auf zerfurchter, staubiger Piste hin, bis wir eine Abfahrt von der Klippe auf den Seegrund erreichen. Ein paar Kilometer weiter sind die Wasserreste erkennbar. Mir wird schnell klar, dass das Bad heute ausfallen wird. Der See fällt ganz leicht ab, der Seegrund ist morastig und das Wasser stark versalzen. Man sinkt bis zu den Unterschenkeln im Morast ein. Kein Bock auf baden. Eher ein paar Tränchen verdrücken angesichts der Ökokatastrophe vor unseren Augen...

120 km Piste mussten wir zur nächsten befestigten Straße überstehen. Dann nehmen wir Kurs auf die Hauptstadt der Autonomen Republik Karakalpakstan, Nukus. Unterwegs machen wir am Pit Stop für LKW halt und duschen ausgiebig. Der Staub der Pisten sitzt in jeder Pore. Genauso am Unimog, aber mangels Avto mojka (Autowäsche) in LKW-Dimension muss der mit grobem Abklopfen zufrieden sein.

Es geht entlang des Amu Darya (in der Antike Oxus), der hier noch ausreichend Wasser führt, oblgeich der Flussgrund zunehmend versandet. In Nukus befindet sich ein über Usbekistan hinaus bekanntes Kunstmuseum, das Sawitzki-Karakalpakstan-Kunstmuseum. Der frühere Direktor Igor Witaljewitsch Sawizki hat hier russische Avantgarde-Kunst der 1920er, -30er und -40er Jahre zusammen getragen. Eine schöne Abwechslung nach den Lehmhaufen- und Gebetshöhlen-Sehenwürdigkeiten der letzten Wochen.

Die Freude währt nur kurz. Hinter Nukus erhebt sich über der Flusslandschaft am Rande der Steppe Schilpik, eine zoroastrische Begräbnisstätte aus Lehm und Gestein aus dem 1. Jh. AD. Hierher wurden die sterblichen Überreste der Menschen zur Verwesung hingebracht. Die Knochen wurden später eingesammelt und in ein Beinhaus gelegt. Ein mystischer Ort, auf der einen Seite das grüne Tal des Amu Darya, auf der anderen die unerbittliche Steppe. Eine Schulklasse hat es unten auf Eva abgesehen, und wir unterhalten uns lange mit den netten, neugierigen Schülern.

Eva eröffnet mir dann, dass weitere drei! Lehmkonstruktionen, Kalas genannt, einen Umweg auf unserem Weg nach Chiwa erforderlich machen. Wir übernachten vor der ersten, Kizil Kala, und bewundern das Dorfleben rund um die Festung im grünen Tal des Amu Darya.

Kalas waren in der vorislamischen Zeit befestigte Siedlungen im fruchtbaren Schwemmland des Amu Darya. Kizil Kala, die rote Festung, aus dem 1. Jh. AD wurde teilweise hübsch restauriert. Unklar ist, ob sie eine Siedlung beherbergte oder eine militärische Anlage. In der Abenddämmerung besichtigen wir das von Lehm zusammen gehaltene Gemäuer. Nur die unzähligen Mücken nach Einbruch der Dunkelheit waren ein Ärgernis.

Am nächsten Morgen fahren wir ein paar Kilometer weiter zur Toprak Kala. Die Festung, ebenfalls aus dem 1. Jh. AD, ist weitaus größer und war vermutlich temporäre Residenzstadt des Schahs von Choresmien. Teile wurden auch hier restauriert und in den Grundmauern sind Gebäude, Schmelzöfen und Überreste von Wohnbebauung erkennbar.

Zum Abschluss muss es dann noch Ayaz Kala sein, eine Doppelsiedlung auf zwei hintereinander liegenden Bergen. Netterweise ist die Straße dorthin eine Aneinanderreihung von Schlaglöchern, was die Vorfreude erheblich trübt. Die beiden Ruinen sind nicht sehr gut erhalten, aber die Sicht über die Landschaft ist ganz nett und die Suche nach Echsen macht auch Spaß. Zu allem Überfluss hat sich ein Overlander mit seiner Mistkarre in die Senke zwischen den zwei Festungen gestellt. sodass man immer seinen doofen Pickup auf dem Foto hatte. Probleme gibt's...

Eva scheint ihren Job doch sehr zu vermissen. Auch hier sind ein paar Schulklassen zu Besuch, die sich zum Erinnerungsfoto aufzureihen haben. Angesichts der fürchterlichen Hitze von knapp 40° C wollen wir hier dann keine Wurzeln schlagen und machen uns auf der Schlaglochpiste auf den Weg nach Chiwa, der alten Hauptstadt der Provinz Choresmien.

In Chiwa wollen wir in ein Hotel, da es in Usbekistan nötig ist, sich spätestens am dritten Tag nach der Ankunft im Land zu registrieren (liegt ein Wochenende dazwischen, nach 5 Tagen). Das übernehmen i.d.R. Hotels. Macht man es individuell und online, beginnt eine Odyssee, bei der man sich im Kreis dreht. Man benötigt eine ID, die man nur auf einer Behörde bekommt. Dann kann man sich online registrieren, aber nicht die Gebühr bezahlen, da ausländische Kreditkarten nicht anerkannt werden. Dazu braucht man eine usbekische Person mit usbekischer Kreditkarte (die haben wohl alle für Steuern, Strafzettel, Gebühren, Bustickets etc.), der man das Geld gibt, sie das Geld dann auf ihr Konto einzahlt und vom Guthaben dann die Gebühren begleicht. Fand ich persönlich etwas zu kompliziert.

Die Autoversicherung war dagegen ein Kinderspiel. Knappe € 6 auf den Tisch und schwupp hat man eine Police für 2 Monate. Ne Staumauer sollte man mit der Abdeckung wahrscheinlich nicht beschädigen...