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Beleuchteter Registan in Samarkand in der Dämmerung

Samarkand

In der Dämmerung erreichen wir Samarkand. Beim Theater gibt es einen ruhigen und schattigen, kostenlosen Parkplatz, ideal für den Besuch. Wir finden ein schönes Restaurant mit dem besten Essen seit langem, genehmigen uns ein Fläschchen vom hiesigen Weißwein, Dali, und freuen uns auf den nächsten Tag.

Viele weiße Freunde umzingeln uns am nächsten Morgen. In Usbekistan gibt es heimische Autofabriken, UZAuto, Kooperativen mit ausländischen Herstellern in verschiedenen Städten. Die bauen u.a. Chevrolets für's Volk, alle in weiß. Was weiß ich, vielleicht, damit kein Neid aufkommt. Natürlich haben ein paar Bonzen auch die dicken Schlitten (die kosten angeblich 200% Steuer/ Einfuhrzoll), aber der gemeine Usbeke fährt Chevi in weiß. Und nutzt jeden Zentimeter Parkraum, Straßenraum. Anarchisch, aber meistens lieb. Der Theaterplatz ist Sammelpunkt für die Taxen.

Die Stadt existiert schon seit dem ersten Jahrtausend BC, unter den Achämeniden (Perser) als Hauptstadt der Provinz Sogdien, 329 BC von Alexander dem Großen (von wem sonst?) erobert, nach wechselnden Herrschern dann 712 AD von den Arabern eingenommen. Zentrum des Islams im Osten, später von Dschingis Khan 1220 erobert und zerstört. Im 14. Jh. kam dann Amir Temur oder Timur Lenk an die Macht, der Begründer des Timuriden-Reiches, brutal und kriegerisch, auch den Künsten zugewandt, und heute als Nationalheld verehrt. Zu den Mausoleen von ihm und seiner Familie wollten wir als erstes.

Das Thermometer zeigt knappe 40°C, alter Hut, aber eben doch fast nicht auszuhalten. Irgendjemand Prominentes scheint das Amir-Temur-Mausoleum zu besuchen. Jedenfalls dürfen wir nicht rein, die Straßen werden von Zivilpolizisten und Uniformierten gesichert. Wir weichen einige Meter aus und gehen zum Aksaray-Mausoleum seiner Familie, ein Kleinod mit reich verzierter Decke. Der Gast scheint sich im Gur-Emir unterdessen festgesessen zu haben, und so bleibt nur der Blick von außen auf den Prachtbau mit türkisfarbener Kuppel und reichen Mosaikverzierungen, wie wir sie schon aus Buchara kennen.

Zentrum von Samarkand ist der Registan, 10 Fußminuten entfernt. Drei prächtige Medresen unterschiedlicher Epochen (man erinnere sich, Koran- und wissenschaftliche Hochschulen) begrenzen den Platz in U-Form, erbaut von Herrschern über Samarkand als Zeichen der Macht, des Glaubens und der Wissenschaft. Ulug-Beg aus dem 15. Jh., Sher-Dor- und Tilla-Kori aus dem 17. Jh.. Prägend war Ulug Beg, mehr Wissenschaftler und Astronom als Herrscher. Enkel Timurs, aber weniger an Herrschaft als an Wissenschaft interessiert.

Wir sind angekommen, in der Märchenwelt aus 1000 und einer Nacht...

Ulugh-Begs Medrese ist sicher am beeindruckendsten. Die Vorlesungen fanden im Innenhof statt, die Mansarden der Studenten befanden sich in der umgebenden Mauer auf zwei Ebenen. Heute werden sie als Showroom für den gleichen Krempel genutzt, der auch in Chiwa und Buchara in epischem Ausmaß feilgeboten wird. Das Ambiente ist trotzdem toll, gezeigtes Desinteresse wird akzeptiert. Wenn man es zeigt...

Die beiden anderen Medresen sind eingeschossig, die am Nordende wurde auch als Moschee genutzt. Sher-Dor, gegenüberliegend, bedeutet 'mit Tigern versehen'. Die sind an der Frontseite als Mosaike in den Ecken des Portals eingelassen.

Am Denkmal für den von 1991-2016 ewig regierenden - stets mit über 80% demokratisch gewählten - Präsidenten Islam Karimov vorbei, erreichen wir die Bibi-Khanum-Moschee. Sie wurde Ende des 14. Jh. von Timur erbaut zum Zeichen seiner Macht als Herrscher über ein Gebiet von der Türkei bis Indien. Bibi Khanum war der Name seiner Lieblingsfrau, die der Legende nach auch die Bauherrin der gewaltigen Moschee gewesen sein soll. Sie liegt auf der gegenüberliegenden Seite im gleichnamigen Mausoleum begraben.

Nicht weit entfernt befindet sich die Chidr-Moschee auf einem kleinen Hügel, angeblich die erste Moschee Samarkands. Hier ist der ewige Präsident (s.o.) begraben.

Im Abendlicht erreichen wir dann die Nekropole Shohi Zinda, einen Komplex von Mausoleen und Mosaikgräbern südöstlich der Chidr-Moschee. Hier wurden die Adligen der Timuriden begraben. Legenden ranken sich um den Hügel und Instagramer lassen hier Würde, Scham und Hüllen fallen für das beste Bild ihrer vergänglichen Hüllen vor sakralen Mosaiken.

Zurück am Registan hat das Illuminationsschauspiel bereits begonnen. Ermattet noch ein paar Bilder und dann ab ins Restaurant...

Wie wir nach ermüdendem Fußmarsch von mehr als 4 km erkannt haben, nicht ganz so nah an der Stadt auf einem Hügel, liegt das für mich beeindruckendste Bauwerk von Samarkand, das Observatorium von Ulug Beg. Er ließ einen riesigen Sextanten in einem 30m hohen Gebäude bauen, mit dem er die Positionen von annähernd 1.000 Sternen bestimmte und weitere astronomische Werte bis auf wenige Sekunden Abweichung im Vergleich zu heute ermittelte. Der Geistlichkeit war er suspekt, man denke an Galilei, und so wurde er nach Machtverlust in Samarkand auf einer Pilgerreise ermordet.

Nach so viel schlauen Dingen überkommt uns die Albernheit, und wir suchen dumme Verstecke in lila...

Eine nette Anekdote gibt's noch: auf dem Weg zu Bibi Chanum sagt jemand zu uns 'Hi guys'. Da steht Ivan der Spanier. Den kennen wir aus Eriwan, und wir haben uns in Kuwait City bereits wieder getroffen. Er ist mit Irina aus Kiew unterwegs, sie wohnen dort. Jetzt sozusagen Kriegsflüchtlinge. Er erzählt uns Horrorgeschichten aus Indien und Kasachstan. Er meint, inzwischen an Reise-Burn-Out zu leiden. Die Erzählungen zu Indien haben uns dann zur Abänderung unserer Reiseroute bewogen, statt Subkontinent soll es jetzt China und Laos sein. Wir treffen uns einen Tag später und man würde am liebsten zwei Tage über das Erlebte quatschen. Die beiden fahren jetzt nach Spanien. Sind gespannt, wo wir sie wieder treffen... :-)