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Grafitti an Brücke in Basra

Transit Oman nach Georgien

Eva ist nach Hause geflogen. Für mich heißt das, die 4.000 km vom Oman nach Georgien in ca. 4 Wochen hinter mich zu bringen. Unterwegs sollte ich noch neue Reifen finden. Unsere Reifen hatten knap 70.000 km drauf, 10.000 km sollten noch gehen. Die Frage war, wo in den Stan-Staaten sollten wir zuverlässig wechseln können? Auf gut Glück ist riskant. Ich wollte wie gehabt Michelin XZL, im Oman angeblich sündhaft teuer, aber die Aussage vieler war, dass ich in Dubai alles bekomme. Eine weitere Option war Katar und als letzte Hoffnung Riad in Saudi-Arabien. Dadurch wurde aus dem Trip nach Georgien eine Reise in vier Abschnitten.

1. Finde die Reifen

In Dubai unternahm ich mehrere Anläufe. Der erste Händler hatte die Größe nicht vorrätig, aber 'delivery in 60 to 90 days'. Nächster Versuch: wir haben die Reifen, gut, nicht exakt die gleiche Größe, 365/85R20, aber ist doch wurscht. Die sind aber nicht zugelassen für die Karre, also keine Option. Aber in Schardschah, nördlich von Dubai, da würde ich fündig. Wo konnte mir keiner sagen. Abu Dhabi auch Fehlanzeige, langsam machte sich Verzweiflung breit. Zu allem Überfluss wurde es auch unangenehm heiß. Ich kaufte mir so einen Klimawürfel, der mit USB und Wassertank funktioniert. Bringt halt auch nur etwas, wenn man mit 30 cm Abstand davor sitzt. Immerhin.

Also nächste Option Katar. Raus aus VAE, rein nach Saudi-Arabien, raus nach Katar. Die Grenzübertritte waren harmlos, man fährt halt viel hin und her, weil es keine Schilder gibt, wohin man soll. In Saudi-Arabien rennt der Drogenhund um Mogli, ich unterhalte mich mit den Zöllnern, alles kein Problem. Komme nachmittags in Katar an. In VAE habe ich mal gegoogelt, wo Michelin ist, da fahre ich hin. Nur dort ist natürlich nicht Michelin. Egal, Reifenhändler gibt es, zwar nicht explizit für LKW, frage mich durch, wer Michelin hat und gehe da hin.

Da treffe ich dann den werten Shan aus Sri Lanka mit can-do-attitude. Telefoniert rum und verschwindet mit dem Transporter. Ich schreibe ihm nochmal die Größe auf, bekomme zwischendurch ein Filmchen geschickt von den Reifen, die er gefunden hat und in der Tat steht er zwei Stunden später mit vier Michelin XZL 365/80R20 auf dem Hof. Herstellungsdatum einmal 2017, dreimal 2019, unbenutzt. Verhandle am Telefon über den Preis und kann wegen des Alters noch einige Euros rausschlagen. Die Inder vom Reifenhändler ziehen die Dinger manuell auf mangels Maschinen. Ist ja ein Auto-Reifenhandel. Fix sind sie und am Ende sind alle vier Reifen auf den Felgen. Schritt 1 erledigt und ich muss nicht nach Riad. Nur auswuchten lassen sollte ich die Dinger noch unterwegs.

2. Beantrage das China-Visum

Unsere Route soll von Kirgistan 800 km durch China nach Pakistan führen, auf dem Karakorum-Highway. Dafür braucht es ein China-Visum. Um das zu bekommen, muss man in eine chinesische Botschaft. Sie verlangen Fingerabdrücke. Für Nicht-Bewohner eines Landes unterwegs, wie wir es sind, soll das nur in Kuwait oder Eriwan gehen. Sonst in Deutschland.

Ich verlasse Katar und ein kleines Grenzdrama spielt sich ab. Keiner wollte das Carnet de Passage stempeln und plötzlich stehe ich vor der Einreise in Saudi-Arabien. Ich gehe ins Büro, schildere meinen Fall, bekomme nach langem Hin unf Her einen Zettel, dass ich zurück kann. Unterwegs stelle ich fest, dass der Fahrzeugschein wohl noch auf dem Schreibtisch im Büro liegt. Oh Mann. Wieder zurück, der Zöllner verdreht die Augen. In Katar nimmt mich netterweise ein Grenzer in seinem Jeep mit, sagt immer 'no problem' und 15 Minuten später ist der Fall erledigt. Uff...

Zwei Zwischenstopps in Saudi-Arabien lege ich noch ein, einen am Meer auf so nem Caravan-Platz mit Wasseranschluss. Abkühlung! Am Morgen kommen die Tranktoren, die den Sand planieren, damit die Saudis mit den Autos drauf flanieren können. Die Temperaturen sind weiter unerträglich. Ich möchte so schnell wie möglich nach Kuwait, um das Visum zu beantragen. Dafür brauche ich noch Unterlagen, die ich bei Bing von Drive-China anfordern muss.

Die Grenze ist kein Problem, die Kontrolle vom Fahrzeug sporadisch. Ich übernachte am Strand hinter der Grenze. Nach Kuwait City sind es knappe 100 km, das geht schnell. Dort kaufe ich eine SIM-Karte und stelle mich an den Strand. Die Hitze ist eigentlich nicht mehr erträglich. Der Strand ist unbenutzbar, schlammig, Wassertiefe 20 cm. Also keine Abkühlung. Suche mir eine Parzelle mit Baum, fülle 6 Säcke mit umherliegendem Müll, sodass mein Vorgarten wenigstens sauber ist. Nachts kühlt es etwas ab, 28° C, da dusche ich draußen, ein Wind geht. Tagsüber stelle ich mich in den Baum, lasse den Klimawürfel und den Ventilator laufen, dann hat's vielleicht nur noch 38° C. Und ich gehe in klimatisierten Malls schlendern.

Inzwischen haben wir die Visa-Unterlagen bekommen, Rechtschreibfehler beim Namen, Bohler. Ist das jetzt ein Problem oder nicht? Wir fordern bei Bing die Korrekturen an, ich fülle die 10 Seiten Online-Formular aus, schwitze, die Korrekturen kommen einen Tag später, jetzt alles ausdrucken, Termin in der Botschaft buchen. Den bekomme ich am Mittwoch. Mit Express könnte ich am Samstag das Visum haben.

Die Botschaft wird von Inderinnen betrieben. Kurz wundern sie sich, dass ich nicht in Kuwait wohne, die Supervisorin gibt ihr ok, die Unterlagen werden geprüft und für gut befunden. Abholtermin leider erst am Sonntag ab 12. Noch einen Tag länger in der Höllenhitze. Den nutze ich, um in einem Büro am Flughafen ein Dokument zu holen, das mich an die Grenze zum Iraq fahren läßt. Sachen gibt's.

Parallel zu dieser Operation besuche ich regelmäßig Salem, einen Kuwaiti, den wir auf dem Hinweg kennengelernt haben. Ich nehme an den abendlichen Sitzkreisen teil, konsumiere Kaffee, Tee und Datteln, und an einem Abend gehen wir auch auf eine arabische Hochzeit. Ca. 400 Männer sind da. Meine Frage nach der Braut erstaunt Salem dann doch sehr. 'Women are like diamonds, you have to hide them', erklärt er mir.

Endlich Sonntag. Noch schnell einkaufen, von Salem verabschieden, und dann zur Botschaft. Stolz halte ich meinen Pass mit dem Visum in der Hand. Name: Bohler. Grrr. Hätte ich mit zwei Tage sparen können...

3. Durchquere den Iraq

Knappe 100 km hinter Kuwait City ist die Grenze zum Iraq. Ich beeile mich, dass ich den Übertritt noch am Sonntag schaffe. Ich muss raus aus der Hitze, in die Berge. Noch ein weiter Weg. Ich treffe den gleichen Fixer wieder wie auf der Hinreise. Er freut sich. Niemand spricht Englisch. Das Verwirrspiel der Formulare, Stempel, Unterschriften und Kopien nimmt seinen Lauf. Dollarnoten wechseln den Besitzer, $ 75 das Visum, $ 100 für die Straßenbenutzung. Die Bearbeitungsgebühr ist selbstredend in Dinar fällig, knappe 20.000. Die zahlt der Fixer und bekommt dafür Dollar. Knappe drei Stunden dauert das, mein Carnet de Passage will keiner stempeln. Gänsehaut.

Jetzt beginnt der Spaß. So ca. alle 10 - 15 km ist ein Checkpoint, mal besetzt, mal nicht. Eines aber ist sicher. Wenn er besetzt ist, werde ich kontrolliert. Ich fahre nach Basra, brauche ne SIM-Karte. Im Stadtzentrum an einem kleinen Gewässer (nicht der Euphrat) finde ich einen Platz zum Übernachten. Laufe zum Asiacell-Laden, der hat eben zu gemacht. Angeblich öffnet er um 8 am nächsten Morgen. Die Polizei läßt mich in Ruhe. Freue mich über die unter 30° C in der Nacht. Am nächsten Morgen stehe ich um 8 vor dem Laden, er öffnet um 10. Spitze. Ich möchte Brot kaufen, bekomme es aber geschenkt. Ana almani (bin Deutscher), da hat sich der Bäcker sehr gefreut. Und ich mich auch.

Hatte in Kuwait ja genug Zeit für die Reiseplanung. Die sieht so aus: Ur, Uruk, Nadschaf, vielleicht Kerbala, Babylon, Baghdad, Samarra und dann nach Erbil, Kurdistan.

Auf dem Weg nach Ur (nahe Nasiriya) höre ich nach der achten Polizei-Kontrolle auf zu zählen. Ur ist eine der ältesten sumerischen Städte in Mesopotamien, ca. 4.000 BC, Abraham soll von hier stammen. Der Zikkurat (Tempel) für den Mondgott Nanna wurde wieder aufgebaut. Auch umfangreiche Ausgrabungen haben stattgefunden. Leider gibt es nur sehr wenig Information, kein Museum, der Zikkurat ist mit Stacheldraht abgesperrt. Schade. Ich hoffe, in Baghdad im Nationalmuseum mehr zu sehen. 25.000 Dinar (€17,50) werden trotzdem fällig. Der Preis gilt für alle Sehenswürdigkeiten im Iraq.

Dann fahre ich eben noch die knapp 80 km nach Uruk. Da soll man vor dem Eingang nächtigen können. Es wird schon dunkel. Eine Unart vieler Iraqer ist, nachts kein Licht anzumachen, vor allen Dingen bei den Dreirädern und Motorrädern. Kurz vor Uruk crasht dann fast ein Motorradfahrer in mich rein. Es ist stockdunkel, ich mache einen U-Turn und er kommt mit hoher Geschwindigkeit angewetzt. Was ich aber nicht weiß, weil ich ihn nicht sehen kann. Er kann sein Motorrad gerade noch abfangen, beschädigt es in einem Zaun und sich gleich mit. Zum Glück passierte nichts Dramatisches. Er hat sich beruhigt (eigentlich müsste ich mich ja uffregen), ich gebe ihm eine Schmerztablette und einige Dinar, damit er seine Vordergabel reparieren kann. Seinen Scheinwerfer hat er in schickem Schwarz lackiert. Oh Mann. Gegen 21 Uhr komme ich in Uruk an. Die Polizisten am Eingang sind etwas verärgert, weil ich so spät noch rumfahre. Es sei doch gefährlich. Englisch kann keiner. Aber sie beruhigen sich, lassen mich übernachten und organisieren für den nächsten Morgen einen Fremdenführer. Allein darf man da nicht rein.

Uruk, gleiches Alter wie Ur, erste und älteste Großstadt der Welt, Entstehungsort der sumerischen Kultur. Hier wurde die Keilschrift er- und später gefunden. Ein riesiges Areal, früher lag sie am Ufer des Euphrats, heute ist er 20 km davon entfernt. Die Gegend ist unwirtlich, nur Sand und Sediment. Es finden wohl Ausgrabungen statt, aber der Gesamtzustand ist nicht toll. Der Fremdenführer nimmt die 25.000, zeigt mir zwei Zikkurat, Bäder, Verzierungen, weitere Tempel, einen Brocken mit der Keilschrift. Hätte ich alles in diesem Mega-Sandhaufen nie gefunden. Beeindruckend ist es trotzdem, wenn man sich die Zeit nimmt, die Ausmaße der Stadt in ihrer Zeit zu realisieren. Hier kommt das Gilgamesch-Epos her, eine Heldensage des gleichnamigen Königs von Uruk, deren Sintfluterzählung später in der Bibel ähnlich wiedergegeben wird (man vermutet, ein Dammbruch in Uruk war Ursache der Sintflut). Und mein Lieblinssprichwort: Jammern ist der Gruß der Kaufleute. Könnte aber auch aus Deutschland stammen ;-)

Nächster Halt ist Nadschaf. Dort möchte ich zum schiitischen Schrein von Imam Ali, Schwiegersohn und Vetter Mohammeds. Ich durchquere viel vermüllte Landschaft, stellenweise schwelt der Müll und ein übler Gestank hängt in der Luft. Trotz seines Reichtums an Öl und Bodenschätzen ist der Iraq nicht unbedingt vom Glück geküsst. Aber wie so oft sind die Menschen dagegen unglaublich freundlich und aufgeschlossen. Der Unimog entlockt dem Iraqer immer ein verzücktes 'Mashallah' (Ausdruck der Freude und Bewunderung), ist er doch ein Mercedes. Das ist ein Symbol hier. Hätte Daimler-Trucks alle Benz-Laster, die hier rumfahren, neu in den Iraq verkauft, sie wären wahrscheinlich das wertvollste Unternehmen der Welt.

Der Schrein flasht mich, unzählige Pilger sind aus dem Iraq und Iran angereist. Särge werden von Gruppen hinein und hinaus getragen. Menschen sitzen in Tränen aufgelöst auf den Teppichen in dem riesigen Innenhof. Die Decken und Wände der Moschee sind innen mit geschliffenem Glas verziert, eine vergoldete Kuppel thront über dem Gebäude. Ich halte mich im Hintergrund, beobachte die Menschen, wie sie den Schrein berühren, die Türen küssen und voller Inbrunst beten. Später schaue ich mir noch den in der Nähe liegenden Pilgerfriedhof Wadi as-Salam von oben an. Man spricht von mehr als 2 Millionen schiitischen Gräbern.

Ich steuere Babylon an und übernachte vor dem rekonstruierten Ischtar-Tor. Das Original steht im Pergamon-Museum in Berlin. Zu empfehlen ist die Doku zur Rekonstruktion des Tores aus unzählichen Trümmerteilchen auf der Homepage des Museums. Netterweise hat mich der Wachmann am Eingang noch eingelassen, obwohl eigentlich schon zu war.

Teile des Palastes von Nebukadnezar II sind rekonstruiert und wahrlich beeindruckend. Hier endet dann auch der Teil der Reise auf den Spuren Alexander des Großen, der hier 323 BC ermordet wurde. Man kann sich vorstellen, welchen Eindruck diese Stadt bei seinen Besuchern hinterlassen hat. Ein Guide, Makki, mit dem ich am Eingang geplaudert habe, führt zwei Japaner herum. Wenn er mich sieht, brüllt er jedesmal 'German', öffnet Absperrungen, damit ich zu den unteren Schichten des Ischtar-Tores kann, zeigt mir das Fundament des Turms zu Babel und später einige Besonderheiten im Palast Saddams nebenan. Den hat sich dieser Wahnsinnige, der sich als Nebukadnezar III sah, auf einem aufgeschütteten Berg neben Babylon bauen lassen.

Letzte Station ist Karbala. Dort steht ein weiteres schiitisches Heiligtum, der Imam-Husain-Schrein. Das war der zweite Enkel Mohammeds. Hier bin ich nur her, weil Nadschaf so beeindruckend war. Das hier ist noch größer, auch beeindruckend und wohl der wichtigste Wallfahrtsort der schiitischen Pilger. Nicht weit enfernt steht die Al-Abbas Moschee. Ich erfreue mich an der Stimmung und der Bilder, aber das Leiden unter den Temperaturen nimmt kein Ende und mir die Geduld.

Ich versuche noch, in Baghdad zu halten, finde keinen Schatten und fahre weiter Richtung Norden. Schade dass ich nicht im Nationalmuseum war. Ich hab's schlicht nicht mehr ausgehalten. Ich mache kurz Halt in Samarra, aber da die Kontrollen dort unerträglich sind, fotografiere ich nur schnell den runden Moscheeturm, fahre weiter, übernachte versteckt am Straßenrand und überquere dann die Grenze nach Kurdistan. Ich musste durch's Röntgen fahren, man hat etwas genauer hingeschaut und mich nach meiner Humvee-Eskorte gefragt. Die waren etwas erstaunt, dass ich ohne Begleitung von Basra bis hierher gefahren bin.

Die Landschaft wird lieblicher, es gibt Berge, Bäume, Gras und Flüsse, die Temperaturen werden erträglicher. In Erbil regnet es sogar 2 Minuten. Hier besichtige ich die Festung, kaufe mir mal wieder ein Bier oder zwei und treffe Nadine und Tilman aus Hamburg im Deutz. Seit langer Zeit mal wieder andere Reisende. Über Amedi durch unzählige Kontrollposten fahre ich gemächlich unweit der türkischen Grenze über Zaxho nach Ibrahin Khalil, dem Grenzübergang zur Türkei. Dort treffe ich Christian und seine Frau aus Kusel, die wir schon in Muscat in der Werkstatt getroffen haben. 6 Stunden dauerte das Prozedere, kontrolliert werde ich aber nicht und erreiche gegen Abend Midyat in der Türkei. Ein wenig freue ich mich tatsächlich, wieder hier zu sein.

Was ich hier jetzt langatmig beschrieben habe, wird dem Iraq eigentlich nicht gerecht. Es gibt noch so viel zu sehen und zu entdecken, das Land ist so vielseitig. Das Reisen ist zwar mühseliger, man wird aber von der Herzlichkeit der Menschen für alles entschädigt. Ma Salama, Iraq.