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Sicht auf Chiwa und das unfertige Minarett

Von Chiwa nach Buchara

Chiwa, lange Zeit Hauptstadt der Provinz Choresmien, erreichen wir abends nach langer Fahrt durch Reisfelder und Obstplantagen und beziehen unser Zimmer in einer restaurierten Medrese außerhalb der historischen Stadtmauer. Medresen sind von Mauern umgebene Koranschulen von Moscheen, die auch als Hochschulen fungierten und Wissenschaften lehrten. Die Kammern der Schüler wurden hier zu Zimmern umfunktioniert. Abends spazierten wir noch in die Altstadt und waren verwundert, dass alles dunkel war. Ein Licht brannte, ansonsten finstere Nacht.

Am nächsten Morgen lüftete sich das Geheimnis. Der Stadtkern, UNESCO-Welterbe, ist fast unbewohnt. Tagsüber öffnen die Händler ihre Läden und verwandeln die Stadt in ein Freilichtmuseum.

Die Stadt lebt von ihrem islamischen Stadtbild aus dem 19. Jh.. Die Gebäude sind gut erhalten bzw. wurden umfangreich restauriert. Am Westtor kauft man das Touristenticket, mit dem man die meisten Sehenswürdigkeiten besuchen kann. Bereits in der ersten, die wir betreten, ein Museum für choresmischen Tanz und Musik, kommen wir nicht drumherum, einen USB-Stick mit choresmischem Tanz und Musik zu erstehen. Das Prinzip wird klar: wo man geht und steht, geht und steht auch ein Souvenirhändler (m/w/d). Ich kann das ja prima ausblenden, aber in Eva erkennen sie eine kauflustige Kundin mit Hang zu Ethno-Krempel.

Unsere Abmachung: wir schauen uns die Stadt an und danach hat jeder frei. So sehen wir das unfertige Minarett in türkis (sollte das größte der Region werden und von der Spitze aus sollte Buchara zu sehen sein, wurde aber nie fertig, Statik oder Geld?), Moscheen, Medresen und Mausoleen.

Zwischen Textilien, Porzellan, Teppichen und Stempeln mit Metallstiften (damit werden Muster in das Fladenbrot gemacht), liegen auch Kokons von Seidenraupen. Und wir finden die Karawanserei, die daran erinnert, dass sich hier eine Station der Sehnsuchtsstraße vieler Reisender befand, der Seidenstraße.

Die Medresen sind schön und die typischen, geschnitzten Holzpfeiler eindrucksvoll. Ein Paar gestrickte Hausschlappen musste ich in einer der vielen Medresen noch kaufen, ein 'nein' hätte ich nicht übers Herz gebracht.

Wir besuchen das Museum und den Thronsaal und genießen die Ruhe auf dem Turm der Zitadelle. Dann überlasse ich Eva den Habichten und Falken der Straße und ziehe mich in unseren Medresen-Kokon zurück. Muss zum Glück noch einen Artikel schreiben.

Ich habe mit Scheidung gedroht, wenn von der unverwechslbaren Porzellanware (Ähnlichkeiten mit albanischen und türkischen Produkten verblüffend) oder gar Kosakenkappen etwas angeschleppt wird. Aber Eva hat sich beherrscht. Bis auf ein Kleid, diverse Stoffhosen, Stoffpuppen, zig Schals (nachdem sie die meisten neulich unbenutzt nach Deutschland mitgenommen hat), war eigentlich nichts dabei.

Immerhin hat sie sich die Kopien unserer Konterfeis als Tonköpfe verkniffen.

Für mich war das zu viel. Ein bisschen seelenlos. Kein normales Leben, nur Merchandising. Und das, obwohl die Stadt so viel zu bieten hat. Mein Fazit: wer Heidelberg mag, der mag auch Chiwa.

Dann machen wir uns auf den Weg zum nächsten Highlight der Region, Buchara, früher zeitweise Haupstadt Usbekistans sowie des Emirats Buchara, dessen Arme bis nach Tadschikistan reichten. Auf der etwas mehr als 400 km langen Strecke verlässt man bald das Flussgebiet des Amu Darya und durchquert größtenteils wüstenartige Steppenlandschaft. Aufmerksame Polizisten ziehen von Zeit zu Zeit die Autofahrer aus dem Verkehr und verordnen eine 10-minütige Pause. Bei der Hitze nicht verkehrt und der Ton ist immer freundlich, wie wir es bisher überall in Usbekistan kennen gelernt haben. Spätabends parken wir vor der Zitadelle in Buchara unter dem einzigen Baum in der Hoffnung, genug Schatten für den Tag zu bekommen.

Heiß ist es, an die 40° C. Zum Einstieg gehen wir auf die Zitadelle. Hier wurden im 19. Jh. zwei britische Offiziere auf Geheiß des Emirs geköpft, weil sie u.a. Hofregeln nicht ausreichend beachtet haben. Freitagsmoschee, Thronsaal, Stallungen und ein kleines Museum sind zu besichtigen. Dann gehen wir runter zum Poi Kalon, einem beeindruckenden Gebäudeensemble mit Kalon-Minarett, der Kalon-Moschee, der Mir-Arab-Madrasa und der Emir-Alim-Khan-Madrasa. Hier wird das Märchen aus 1001er Nacht Wirklichkeit. Die imposanten Bauten mit türkisfarbenen Kuppeln beeindrucken den Besucher und sind Zeugen früheren Reichtums und Macht.

Der Kern der historischen Stadt ist geprägt von den Medresen, Moscheen mit blauen Kuppeln und mosaikverzierten Fassaden. Wer Geld hatte, spendierte Prachtbauten, so z.B. Chor Minor, eine Medrese, von der nur noch die vier Türme stehen. Im Zentrum um ein großzügiges Wasserbecken herum pulsiert das Leben, vor allen Dingen der Besucher aus der ganzen Welt. Eine Nasreddin-Hodscha-Statue erinnert an den türkischen Geschichtenerzähler, der mit seinem Eselchen bis hierher kam?

Auch in Buchara wird jedes Bauwerk und jeder Basar von unzähligen Verkäufern der Handwerkskunst der Region bevölkert. Hauptware sind Seiden- und Wollteppiche sowie Keramiken. Aber aufgrund der Größe der Stadt fallen sie in der Gesamtheit nicht so sehr ins Gewicht wie in Chiwa. Schlussendlich bekommt der Unimog einen Teppich aus angeblich Kamel- und Schafwolle spendiert, damit seine Bewohner nicht an den Füßen frieren, sollte irgendwann einmal die Temperatur unter 10° C sinken. Vorstellbar ist das bei allen Wetterprognosen eher nicht. Besser wäre eine Klimaanlage, aber die war in dieser analogen Welt leider nicht erhältlich.

Nun heißt es Abschied nehmen aus dieser beeindruckenden Stadt. Aber am Horizont wartet ein Sehnsuchtsort, der alles übertreffen soll, und zu Hause in Mannheim beim Kartenstudium erklärtes Ziel unserer Reise sein sollte: Samarkand.